Dienstag, 13. September 2022

Puer natus in Betlehem

Giotto Krippenszene

Noch eine Vermißtenmeldung. Noch ein Lied, das in Richtung der Konzertsäle entschwunden ist. Die älteste lateinische Fassung desymnus "puer natus in Betlehem", verbunden mit einer lebendigen gregorianischen Melodie, stammt von Anfang des 14. Jahrhunderts, die älteste deutsche Übersetzung stammt von Heinrich Laufenberg aus dem Jahre 1439. Sie hat mal sechs, mal bis zu fünzehnVerse.

Die bekannteste deutsche Text-Version ist im (lutheranischen) Bapstschen Gesangbuch von 1545 abgedruckt,  die volkstümliche Melodie, die auch hier nicht auf der gregorianischen beruht, findet sich erstmals bei Lucas Lossius 1553. Interessant ist bei diesem Lied, das in der Regel sowohl die lateinische Version als auch die deutsche (auch die dänische und die schwedische) Version zusammen abgedruckt wird, also wohl im Wechselgesang (Schola: latein, Gemeinde: Volkssprache) gesungen wurde.

Seit dem 16. Jahrhundert gehört das Lied zum Standardrepertoire aller katholischen (Beuttner, Corner, Rheinfelsisches Gesangbuch,Leisentrit) wie auch evangelischen Gesangbücher. Joseph Mohr hat das Lied nicht radikal, aber doch ziemlich deutlich umgedichtet und umkomponiert, und auch in den Diözesangesangbücher bleibt das Lied nicht vom typisch katholischen UDF, dem UmDichtFimmel verschont, meist in Richtung Wassersuppe. Das Lied findet sich noch im Stammteil des Gotteslobs 1975, und wird dann mit dem Gotteslob 2013 endgültig in die Diözesananhänge verdrängt.

Das schweizerische katholische Gesangbuch hat es noch im Stammteil. Die 10 populärsten Strophen haben folgenden Text in Latein:

  1. puer natus in Betlehem / alleluia / unde gaudet Jerusalem / alleluia, alleluia / in cordis jubilo / christum natum adoremus / cum novo cantico
  2. Hic iacet in praesepio / ... / qui regnat sine termino / ...
  3. Cognovit bos et asinus / ... / quod puer erat dominus / ...
  4. Reges de Saba veniunt / ...  / Aurum thus Myrrham offerunt / ...
  5. De Matre natus virgine / ... / Sine virili semine / ...
  6. Sine serpentis vulnere / ... / De nostro venit sanguine / ...
  7. In carne nobis similis / ... / Peccato sed dissimilis / ...
  8. Ut redderet nos homines / ...  / Deo et sibi similes / ...
  9. In hoc natali gaudio / ... / Benedicamus domino / ...
  10. Laudetur sancte trinitas / ... / Deo dicamus gratia / ...
Die entsprechenden deutschen Strophen:
  1. Ein Kind geborn zu Betlehem / Betlehem / des freuet sich Jerusalam / Hallelujah Hallelujah
  2. Hier liegt es in dem Krippelein / ... / ohn Ende ist die Herrschaft sein /...
  3. Das Öchslein und das Eselein / ... / erkannten Gott den Herren sein / ...
  4. Die König aus Saba kamen dar / ... / Gold Weihrauch Myrrhen bracht´n sie dar / ...
  5. Sein Mutter ist die reine Magd / ... / die ohn´ ein Mann geboren hat / ...
  6. Die Schlang ihn nicht vergiften konnt / ... / ist worden unser Blut ohn Sünd / ...
  7. Er ist gar uns gleich nach dem Fleisch / ... / der Sünd nach ist er uns nicht gleich / ...
  8. Damit er uns ihm machte gleich / ... / und wieder brächt zu Gottes Reich / ...
  9. Für solche gnadenreiche Zeit / ... /sei Gott gelobt in Ewigkeit / ...
  10. Lob sei der heilgen Dreieinigkeit / ... / von nun an bis in Ewigkeit / ...
Die gregorianische Melodie läßt sich auch mit dem deutschen Text singen,  die volkstümliche Melodie paßt auch zur lateinischen Fassung. Für den Gesang bieten sich daher viele Möglichkeiten. Man kann den lateinischen Text durch eine Schola singen lassen, anschließend den deutschen Text durch die Gemeinde, lateinisch-deutsch mit der gregorianischen Melodie oder der volkstümlichen. Bei Lucas Lossius sind zum Beispiel beide Texte mit der volkstümlichen Melodie unterlegt. Sie wurden offenbar im Wechselgesang gesungen.

Warum das Lied außer Mode kam? Ich vermute den morbus modernicus. Der lateinische Text geriet schon im 19. Jahrhundert in Vergessenheit, der  deutsche Text wurde so verwässert,und verkürzt bis die Langeweile das Lied umbrachte. In der letzten Gotteslob-Fassung fehlt die dritte Strophe mit Ochs und Esel, die fünfte mit der Reinen Magd,  die sechste mit der Schlange und die siebte, in der es um Fleisch und Sünde geht. Die 8. in der es um Gottes Reich geht, hat folgenden sturzbanalen Text: "Sie fielen nieder auf die Knie und sprachen Gott und Mensch ist hie". Der Griff in die Textbausteinkiste, nicht? Selbst die Heilige Dreieinigkeit (Vers 10) wird vermieden.

Hier kann man den gregorianischen Choral hören, und hier die deutsche

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