Montag, 14. November 2022

Nunc angelorum gloria / Heut sein die lieben Engelein

 

Belles heure L´annonce au bergers

Die Katholischen mögen keine Wiegenlieder. Jedenfalls die heutigen kattholischen Katholischen. Im Gegensatz zu den mittelalterlich/frühneuzeitlichen Katholischen, denn aus dem Mittelalter sind uns Wiegenlieder in reicher Zahl überliefert, zum Beispiel das Nunc angelorum gloria.

  1. Nunc Angelorum gloria / hominibus / resplenduit in mundo. / Novi partus gaudia / virgo mater produxit, / et sol verus in tenebris illuxit. / Christus natus hodie ex virgine, / sine virile semine est natus rex. 

  2. Culpae sic datur hodie / remissio; / laetatur homo reus. / Lux de coeli claruit, / pace jam reparata / et genetrix permansit illibata. / Christus natus hodie ex virgine, / sine virile semine est natus rex. 

  3. Magnum est nomen Domini / Immanuel / quod est nobiscum Deus / redemptori Domino / redempti jubilemus: / hic est dies et annus jubilaetus; / pueri concinite et psallite. / Voce pia dicite et plaudite. 

  4. Pastores palam dicite / in Bethlehem / quem genuit Maria. / Laus honor et gloria / sit Deo in excelsis, / hominibus pax bonae voluntatis. / Christus natus hodie ex virgine, / sine virile semine est natus rex.

 Man kann davon ausgehen, daß das Nunc angelorum gloria schon im Mittelalter anläßlich des "Kindelwiegens" gesungen wurde. Das Lied wird später dann zum "Mittelteil" des Quempas-Singens. Übersetzungen finden sich allerdings nur in protestantischen Liederbüchern, so bei Nicolaus Hermann, der um 1560 das Lied - sehr frei - übersetzt:

  1. Heut sein die lieben Engelein / in hellem Schein / erschienen bei der Nachte / den Hirten, die ihr’ Schäfelein / bei Mondenschein / im weiten Feld bewachten. /„Große Freud und gute Mär / wolln wir euch offenbaren, / die euch und aller Welt / soll widerfahren.“

  2. „Sein’ Sohn die göttlich Majestä / euch geben hat / ein’ Menschen lassen werden. / Ein Jungfrau ihn geboren hat / in Davids Stadt, / da ihr ihn finden werdet / liegend in eim Krippelein / nackend, bloß und elende, / dass er all euer Elend von / euch wende.“

  3. Danach sangen die Engelein: / „Gebt Gott allein / im Himmel Preis und Ehre. / Groß Friede wird auf Erden sein, / des solln sich freun / die Menschen alle sehr / und ein Wohlgefallen han: / Der Heiland ist gekommen, / hat euch zugut / das Fleisch an sich genommen.“

  4. Die Hirten sprachen: „Nun wohlan, / so laßt uns gahn / und diese Ding erfahren, / die uns der Herr hat kundgetan; / das Vieh laßt stahn, / er wirds indes bewahren.“ / Da fand’n sie das Kindelein / in Tüchelein gehüllet, / das alle Welt / mit seiner Gnad erfüllet.

Die einfache und schöne Melodie stammt aus dem Moosburger Graduale von 1360, kaum verändert hat sie mehr als 600 Jahre überlebt.

Das "Magnum nomen domini" bildet den dritten Teil des Quempas, Melodie und deutscher Text stammen aus den 16. Jhdt. (Valentin Triller. 1555)

Gottes Sohn ist Mensch geborn, / ist Mensch geborn, / hat versöhnt des Vaters Zorn, / des Vaters Zorn.

Das Quempas-Singen hat sich im 17. Jahrhundert, vor allem Nord- und Ostdeutschland, durchgesetzt, verlor sich dann aber wieder im 19. und 20. Jahrhundert.  1930 entdeckten Wilhelm thomas und Konrad Ameln das Quempas-Singen wieder und gaben ein bis heute immer wieder neu aufgelegtes Quempas-Heft heraus. Noten und Texte finden sich im EG.

Melodie und Text im Lieder-Projekt.

Sonntag, 6. November 2022

Ihr Freunde Gottes allzugleich

 

Johannes Nepomuk Märtyrer

Der Text des Liedes soll auf Friedrich Spee von Langenfeld zurückgehen, da es keine durch Spee autorisierte Fassung gibt, ist das nur wahrscheinlich, aber keineswegs sicher. Das gilt aber nun auch für andere Lieder, die man eindeutig auf Spee von Langenfeld zurückführen kann, also ist das nicht wirklich wichtig. erstmals veröffentlicht wurde das Lied 1623 in Peter von Brachels Gesangbuch, das Lied wird, wie so viele andere, erst durch die Liedrestauratoren des 19. Jahrhunderts wieder bekannt gemacht, in diesem Fall durch Joseph Mohr. Dort hat es folgende Fassung:

  1. Ihr Freunde Gottes allzugleich / verherrlicht hoch im Himmelreich / Erfleht am Thron der Herrlichkeit / Uns Gnade und Barmherzigkeit / Helft uns in diesem Jammertal / Daß wir durch Gottes Gnadenwahl / Zum Himmel kommen allzumal.
  2. Vor allem du, o Königin / Maria, milde Herrscherin / Ihr Engelschöre auserwählt / Von Heil´ger Lieb zu uns beseelt / Helft uns ...
  3. Ihr Patriarchen allesamt / Davon das Heil der Völker kommt / Erleuchtete Prophetenschar / Die Christum sah, eh´ er denn war / Helft uns ...
  4. Oh ihr Apostel hochgestellt / Davon die ganze Welt erhellt / Ihr ruhmgekrönten Märtyrer / Und ihr getreuen Beichtiger / Helft uns ...
  5. Oh ihr Jungfrauen rein und keusch / Die ihr besiegt Welt, Höll und Fleisch / Ihr heil´gen Frauen tugendreich / Ihr Freunde Gottes allzugleich / Helft uns ...
  6. Wir bitten euch durch Christi Blut / Erfleht uns Gnad beim höchsten Gut / Tragt vor die Not der Christenheit / Der heiligsten Dreifaltigkeit / Helft uns ...

In den Vorkriegs-Gesangbüchern bleibt es weitgehend beim alten Text, in den Nachkriegs-gesangbüchern fällt zunächst das Wort "Jammertal", es heißt nun "Erdental". Warum uns die Heiligen aber nun im "Erdental" helfen soll, statt im "lacrimarum valle", dem Tal der Tränen, leuchtet nicht ein. Auch der "Thron der Herrlichkeit" ist nicht mehr, nun reimt sich "allezeit" auf Barmherzigkeit. 

Die Revision geht auf das ansonsten vorbildliche "Kirchenlied" zurück, herausgegeben 1938 von Georg Thurmair und Josef Diewald. Warum das Lied nun grundstürzend umgedichtet werden muß, obwohl die Herausgeber angeblich das Gegenteil vorhaben, nämlich die "Kraftvolle Urgestalt" in ihrer "Urform" wiederherzustellen, bleibt ein Rätsel. Auch bei anderen Liedern, die die beiden Herausgeber sich vorgenommen haben, wird keineswegs die "Kraftvolle Urgestalt" wiederhergestellt, sondern ein überhaupt nicht "kraftvolles" sondern überaus schlappes Liedlein geschaffen, so auch hier.

Im zweiten Vers sind die Engelchöre nicht mehr von Heil´ger Lieb zu uns beseelt, sie sind nun "voller Macht" und geben "treulich auf uns acht". Den Revisoren war die heilige Liebe - wie stets - offenbar zu pathetisch.

Im Dritten Vers kommt das "Heil nicht mehr von den Juden" (Johannes 4, 22), notabene von den Patriarchen, auch die Propheten sahen nicht mehr Christus, eh er denn war, vielmehr hat den Patriarchen und Propheten "der Herr das Reich bereit." Das Band zwischen Juden und Christen zerreißt. Wir sind also nicht mehr "spirituelle Semiten"(Pius XI)? 

Im vierten Vers fehlen neben den Märtyrern die "Beichtiger". Auf jeder bayerischen Brück steht einer dieser Beichtiger, der Heilige Johannes von Nepomuk. Baßt scho, wo kein "Jammertal", da koa Sünd, wo koa Sünd, da auch kein Beichtiger, nicht? Der Heilige Nepomuk ertrinkt heutzutage in der Wassersuppen der Allerlösungstheologie.

Heutzutage - wir kommen zum 5. Vers - sind die Jungfrauen "licht und rein", und nicht mehr "rein und keusch", sie haben auch nicht "Welt, Höll und Fleisch" besiegt, sondern sind dem "Herrn allein", geweiht. Die sexuelle Revolution hat ihre Schatten offenbar ganz weit vorausgeworfen.

Auch der letzte Vers bleibt nicht unbehelligt, statt "erfleht uns Gnad beim höchsten Gut", heißt es "die ihr nun weilt beim höchsten Gut". Das paßt nun als I-Tüpfelchen obendrauf, oder, um im Bild zu bleiben, als trockenes Petersilienstreuselchen auf die ganze Wassersuppe. Denn, so die alltägliche Erfahrung des frustrierten Tradi-Katholiken, in der Wassersuppen gibts koa Sünd.

Das "Kirchenlied" wird in diesem Fall keineswegs seinem Anspruch gerecht, vielmehr trägt es zur "Entkräftung" bei, die sich dann im Gotteslob 1975, noch einmal geboostert durch den "Geist des Konzils", in seiner vollen Unschönheit entfaltet.

Die Melodie soll auf das "Catholisch Gesangbüchlein" von 1588 (Innsbruck) zurückgehen.

Das Lied selbst stammt aus dem Jahre 1623. Das Gotteslob zitiert vorsichtshalber "Köln 1623" (siehe oben).

In dieser Nacht

 

Manchmal lobe ich mir doch die Evangelen: "Das Wort sie sollen lassen stahn", das führt dazu, daß alte Kirchenlieder eben so bleiben, wie sie ursprünglich verfasst worden sind, während in katholischen Gesangbüchern häufig kein Stein auf dem anderen bleibt. Selbst dieses, doch sehr einfache und kindliche Abendgebet wurde umgeschrieben, wahrscheinlich mit dem Argument, es müsse "dem heutigen Sprachgebrauch" angepasst werden. Sinnentstellend sind diese Änderungen nicht, aber daß man im dritten Vers die "gnäd´ge" Frau Maria durch die "große Frau" ersetzt hat, bringt mich ins Grübeln. Wollte man die Verwechslung mit der Anrede "gnädige Frau" vermeiden (die heute als so was von old school gilt)? Oder ist Maria nun nur noch groß, aber nicht mehr gnädig?

Der neue Text taucht erst in den Nachkriegs-Gesangbüchern auf. Hier das Original:

  1. In dieser Nacht / sei du mein Schirm und Wacht / O Gott durch deine Macht / Wollst mich bewahren / Vor Sünd und Leid / Vor Satans List und Neid / Hilf mir im letzten Streit / In Todsgefahren
  2. O Jesu mein / Die heil´gen Wunden dein / Soll´n meine Ruhstatt sein / Das Bett der Seelen / In dieser Ruh / Schließ mir die Augen zu / Mein´n Leib und alles tu / Ich dir befehlen.
  3. O gnäd´ge Frau / Maria auf mich schau! / Mein Herz dir anvertrau´ / In meinem Schlafen / Auch schütze mich / Sankt Joseph väterlich; / Schutzengel streit für mich / mit deinen Waffen.

Verfasser des Liedes ist Joseph Mohr. Die Melodie ist älter