Freitag, 15. Juli 2011

O heilge Seelenspeise ...



Der Text des Liedes geht auf das lateinische Sakramentsliedes "O Esca viatorum" zurück. Der Ursprung des Liedes ist nicht bekannt, erstmals erscheint es 1647 in einem Gebetbuch des "Keuschen Meerfrewlein". Seit dem haben sich viele an einer deutschen Übersetzung versucht, und auch das "Gotteslob" hat sich dieses Liedes angenommen. Die heute gebräuchliche Melodie, geht auf Heinrich Isaak (1450 - 1517) berühmtes "Innsbruck ich muß dich lassen"zurück.

Das Lied hat in vielen Jahrhunderten so manche Umgestaltung erfahren, auch die Redaktion des Gotteslobs hat der Versuchung nicht widerstanden, den Text erneut umzuwälzen. (O wunderbare Speise, Nr. 503). Das Gotteslob kürzt im Gegensatz zu den Einheitsliedern von 1947 die Strophen um eine, es entfällt die in unserer Fassung unter 4. wiedergegebene Strophe, die von Christi Blut, dem Brunnen des Lebens und dem Durst der Seelen spricht. Erstaunlich, wird die "blutlose" Fassung des Gotteslob doch in einer Zeit veröffentlicht, in der der ökumenische Pater Frère Rogers vom "soif sprituelle" spricht, dem "geistlichen Durst", den es zu stillen gelte.

Die Gründe sind vorgeblich theologischer Art. Ich halte die Kürzung für einen Verlust an Ausgewogenheit im buchstäblichen Sinn. 

Die Ersetzung der "heiligen Seelenspeise" durch die "wunderbare Speise" halte ich hingegen für einen Fehlgriff, der wie so manche andere semantische Entgleisung der deutschen nachkonziliaren Kirche tief blicken läßt.
Die Ersetzung des Ausdrucks Seelenspeise durch wunderbare Speis ist zu kurz gedacht und vernebelt ins Mysteriöse, was spirituell zu klären wäre. Daß dies in Zeitläuften geschieht, in denen die Psychologie nahezu herrschende Weltauffassung ist, gehört zu den eigentümlichen Anachronismen kirchlicher Selbstmodernisierungsversuche und paßt mit der nachfolgenden psychoanalytischen Überschwemmung der Pastoral durchaus zusammen
heißt es in einer kritischen Kommentierung. Aus der allerhöchsten Speise, von der während des Barock die Rede war über die "Seelenspeise" wird die "wunderbare" Speise, ein Begriff, der eher kulinarisch mißzuverstehen als geistlich zu verstehen ist. So wird aus Mystischem Mysteriöses.

Auch die Umgestaltung der letzten Strophe mag zwar theologisch interessant sein, doch die Ersetzung des neuerdings unbeliebten H-Wortes Himmel durch "ewig", hat  Methode. Die Licht-Geist-Kraft-Poetik des Gotteslobs dient der Anpassung an einen Sprachstil, der deutliche Wort möglichst durch Theospeak ersetzt. Zwei H-Wörter, die Wörter Heilig und Himmel hat es in unserem Fall erwischt. Die folgendeVersion versucht es deshalb mit dem "ad fontes":
  1. O heilge Seelenspeise / Auf dieser Pilgerreise / O Manna, Himmelsbrot!/ Wollst unsern Hunger stillen/ Mit Gnaden uns erfüllen/ Uns retten vor dem ewgen Tod.
  2. Du hast für uns dein Leben,/ O Jesu hingegeben / Und gibst Dein Fleisch und Blut / Zur Speise und zum Tranke/ Wer preist mit würdgem Danke / Dies unschätzbare, ewge Gut?
  3. „Kommt alle, die auf Erden / Von Not bedränget werden.“ / So spricht Dein eigner Mund/ „Ich will euch wiedergeben / Mit meinem Blut das Leben! / Dies ist der neue, ewge Bund.“
  4. O süßer Bronn des Lebens, / Fließ nicht für uns vergebens, / Du unsres Heilands Blut! / O lösch den Durst der Seelen, / So wird uns nichts mehr fehlen, / Du unser allerhöchstes Gut!
  5. Mit Glauben und Vertrauen / Wir dich verdeckt hier schauen / In Deiner Niedrigkeit. / Ach, laß es, Herr, geschehen, / Daß wir im Himmel sehen / Dich einst in Deiner Herrlichkeit!“


Mittwoch, 13. Juli 2011

Ein Haus voll Glorie schauet ...


Als Joseph Hermann Mohr sein wohl bekanntestes Lied dichtete und komponierte, hatte er womöglich nicht nur "die Stadt auf dem Berg" im Sinn, sondern auch seine Heimatstadt Siegburg und das Kloster Michaelsberg, das ganz real "weit über alle Land" sieht. Joseph Mohr schrieb dieses Lied, das auch "Siegburger Hymne" genannt wird, im Jahre 1876 auf dem Höhepunkt des Kulturkampfes. Joseph Mohr war zu diesem Zeitpunkt selbst Opfer des Kulturkampfes geworden. Als Jesuit mußte er nach dem Verbot des Jesuitenordens im Deutschen Reich Deutschland verlassen und konnte erst nach dem Austritt aus dem Orden wieder nach Deutschland zurückkehren. Über den Charakter der Komposition, ein "Kampflied" das von der preußischen Militärmusik inspiriert ist, muß man sich deshalb nicht wundern.
Mohr übertrug den Stil der patriotischen Lieder seiner Zeit sehr geschickt auf dieses Kirchenlied, das damals schnell populär wurde. Der Rhytmus ist stark vom preußischen Militärmarsch beeinflußt, die Melodie suggeriert Macht und Kraft.
heißt es in einem auf der Seite des Siegburger Stadtarchivs wiedergegebenen Kommentar.

Mohr schrieb seine Lieder nicht für den Gottesdienst. Seine Liederbücher "Cäcilia" und "Cantate" enthielten Gesänge und Gebete, die nach Mohrs Wunsch und Willen vorwiegend für Prozessionen und Andachten vorgesehen waren. Deutsche Gemeindegesänge während der Messe empfand Mohr als unpassend, gar als "andachtsstörendes Geschrei". Für Mohr war der gregorianische Choral die einzig geeignete musikalische Begleitung für das Mysterium der Heiligen Messe.

Daß die Siegburger Hymne von einer in der preußischen Tradition stehenden Militärkapelle, dem "Trompeterkorps 8. Husaren" vorgetragen wird, hat damit seine Richtigkeit. Joseph Mohr hätte sicher seine Freude daran.

Das Liederbuch Cantate und mit dem Liederbuch der Originaltext des Liedes erschien bis zum Zweiten Weltkrieg in insgesamt 40 Auflagen. In der Nazi-Zeit wurde das Lied, vor allem wegen seiner sechsten Strophe, die man als Anti-Horst-Wessel-Hymne verstehen konnte, noch einmal populär als Hymne eines antinazistischen, freien Christentums. Man kann sich gut vorstellen, daß der Löwe von Münster dieses Lied mit besonderer Inbrunst mitgesungen hat. nec laudibus, nec timore.

Das Gotteslob hat den Text radikal verändert. Nur noch die erste Strophe geht auf Joseph Mohr zurück. Hans W. Marx dichtete vier Strophen dazu
und machte aus der stolzen "Kriegsschar" der Gläubigen, die "liebentzündet" und in festem Glaubensmut zum "heiligen Streit eilt" eine Herde frommer Lämmer, die unter dem Schutz des Friedensfürsten der ewigen Seligkeit entgegenwandert
Aus einem Kampflied wurde ein Friedenslied im Stil der friedensbewegten ökopazifistischen 70er. Die "reinste der Junfrauen" wird nicht mehr erwähnt, und daß das H-Wort (Hölle) vermieden wird, entspricht so recht dem Stil der tütteligen nachkonziliaren Zeit. Natürlich durfte dann auch das aggiornamentalistische Lieblingsmotto, das"wandernd Volk", die ecclesia peregrinans (5. Strophe) nicht fehlen. Mohrs Lied ist dagegen unverkennbar ein Lied der ecclesia militans, der kämpfenden Kirche:

  1. Ein Haus voll Glorie schauet / weit über alle Land, / aus ew'gem Stein erbauet / von Gottes Meisterhand. /  Gott! Wir loben dich. /Gott! Wir preisen dich. /O laß im Hause dein / uns all geborgen sein!
  2. Gar herrlich ist's bekränzet / mit starker Türme Wehr, / und oben hoch erglänzet / des Kreuzes Zeichen hehr. / Gott! Wir loben dich ...
  3. Wohl tobet um die Mauern / der Sturm in wilder Wut; / das Haus wird's überdauern, / auf festem Grund es ruht. / Gott! Wir loben dich ...
  4. Ob auch der Feind ihm dräue, / Ansturm der Hölle Macht: / Des Heilands Lieb und Treue / auf seinen Zinnen wacht. / Gott! Wir loben dich ...
  5. Dem Sohne steht zu Seite / die reinste der Jungfraun; / um sie drängt sich zum Streite / die Kriegsschar voll Vertraun. / Gott! Wir loben dich ...
  6. Viel tausend schon vergossen / mit heil'ger Lust ihr Blut; / die Reihn stehn fest geschlossen / in hohem Glaubensmut. / Gott! Wir loben dich ...
  7. Auf eilen liebentzündet / auch wir zum heil'gen Streit; / der Herr, der's Haus gegründet, / uns ew'gen Sieg verleiht. / Gott! Wir loben dich ...


Eine pdf-Version des Liedes ist in Vorbereitung.