Der Text des Liedes geht auf das lateinische Sakramentsliedes "O Esca viatorum" zurück. Der Ursprung des Liedes ist nicht bekannt, erstmals erscheint es 1647 in einem Gebetbuch des "Keuschen Meerfrewlein". Seit dem haben sich viele an einer deutschen Übersetzung versucht, und auch das "Gotteslob" hat sich dieses Liedes angenommen. Die heute gebräuchliche Melodie, geht auf Heinrich Isaak (1450 - 1517) berühmtes "Innsbruck ich muß dich lassen"zurück.
Das Lied hat in vielen Jahrhunderten so manche Umgestaltung erfahren, auch die Redaktion des Gotteslobs hat der Versuchung nicht widerstanden, den Text erneut umzuwälzen. (O wunderbare Speise, Nr. 503). Das Gotteslob kürzt im Gegensatz zu den Einheitsliedern von 1947 die Strophen um eine, es entfällt die in unserer Fassung unter 4. wiedergegebene Strophe, die von Christi Blut, dem Brunnen des Lebens und dem Durst der Seelen spricht. Erstaunlich, wird die "blutlose" Fassung des Gotteslob doch in einer Zeit veröffentlicht, in der der ökumenische Pater Frère Rogers vom "soif sprituelle" spricht, dem "geistlichen Durst", den es zu stillen gelte.
Die Gründe sind vorgeblich theologischer Art. Ich halte die Kürzung für einen Verlust an Ausgewogenheit im buchstäblichen Sinn.
Die Ersetzung der "heiligen Seelenspeise" durch die "wunderbare Speise" halte ich hingegen für einen Fehlgriff, der wie so manche andere semantische Entgleisung der deutschen nachkonziliaren Kirche tief blicken läßt.
Die Ersetzung des Ausdrucks Seelenspeise durch wunderbare Speis ist zu kurz gedacht und vernebelt ins Mysteriöse, was spirituell zu klären wäre. Daß dies in Zeitläuften geschieht, in denen die Psychologie nahezu herrschende Weltauffassung ist, gehört zu den eigentümlichen Anachronismen kirchlicher Selbstmodernisierungsversuche und paßt mit der nachfolgenden psychoanalytischen Überschwemmung der Pastoral durchaus zusammen
heißt es in einer kritischen Kommentierung. Aus der allerhöchsten Speise, von der während des Barock die Rede war über die "Seelenspeise" wird die "wunderbare" Speise, ein Begriff, der eher kulinarisch mißzuverstehen als geistlich zu verstehen ist. So wird aus Mystischem Mysteriöses.
Auch die Umgestaltung der letzten Strophe mag zwar theologisch interessant sein, doch die Ersetzung des neuerdings unbeliebten H-Wortes Himmel durch "ewig", hat Methode. Die Licht-Geist-Kraft-Poetik des Gotteslobs dient der Anpassung an einen Sprachstil, der deutliche Wort möglichst durch Theospeak ersetzt. Zwei H-Wörter, die Wörter Heilig und Himmel hat es in unserem Fall erwischt. Die folgendeVersion versucht es deshalb mit dem "ad fontes":
- O heilge Seelenspeise / Auf dieser Pilgerreise / O Manna, Himmelsbrot!/ Wollst unsern Hunger stillen/ Mit Gnaden uns erfüllen/ Uns retten vor dem ewgen Tod.
- Du hast für uns dein Leben,/ O Jesu hingegeben / Und gibst Dein Fleisch und Blut / Zur Speise und zum Tranke/ Wer preist mit würdgem Danke / Dies unschätzbare, ewge Gut?
- „Kommt alle, die auf Erden / Von Not bedränget werden.“ / So spricht Dein eigner Mund/ „Ich will euch wiedergeben / Mit meinem Blut das Leben! / Dies ist der neue, ewge Bund.“
- O süßer Bronn des Lebens, / Fließ nicht für uns vergebens, / Du unsres Heilands Blut! / O lösch den Durst der Seelen, / So wird uns nichts mehr fehlen, / Du unser allerhöchstes Gut!
- Mit Glauben und Vertrauen / Wir dich verdeckt hier schauen / In Deiner Niedrigkeit. / Ach, laß es, Herr, geschehen, / Daß wir im Himmel sehen / Dich einst in Deiner Herrlichkeit!“