Samstag, 13. August 2022

Warum ich den "Alten" Rosenkranz bete.

Übergabe des Rosenkranzes an St. Dominicus

 Das erste, was ich nach meiner Aufnahme in die katholische Kirche besorgt habe, war die Anschaffung eines Rosenkranzes. Aber wie den Rosenkranz beten?

Um das Rosenkranzgebet und seinen Sinn zu verstehen, muß man die Wurzeln des Gebets kennen. Die Wurzel ist das Psalmengebet der Mönche, die seit mehr als einem Jahrtausend die 150 Psalmen beten, verteilt über die 56 Horen des Stundengebets. Schon sehr früh, wahrscheinlich ab dem achten Jahrhundert, entstanden verkürzte Psalmengebete für Laien, die nicht des Schreibens und Lesens kundig waren, anstelle der Psalmen wurden zunächst Vaterunser gebetet, die dann allmählich durch das Ave Maria ersetzt wurden. Es bleibt beim "Psalter", Knotenschnüre mit 150 Knoten, später Perlenschnüre an denen man die Gebete abzählen kann, existierten schon vor der "Übergabe des Rosenkranzes" an St. Dominicus im Jahre 1208. 

Dominicus, so die Überlieferung, erscheint während der Zeit der Albigenserkriege, nachdem er drei Tag gefastet und gebetet hat, die Gottesmutter, die ihm das Rosenkranzgebet übergibt. Der Ort dieser Übergabe ist bekannt, das 1206 gegründete Kloster der Dominikanerinnen in Prouilhe/Frankreich. Dominicus predigte und kämpfte damals gegen die manichäische Sekte der Katharer, hatte aber zunächst wenig Erfolg. Enttäuscht und ermüdet zog er sich 1208 zurück, fastete und betete 3 Tage. Am 3. Tag erschien ihm die Gottesmutter, die ihm den Rat gab, ihren Psalter als Waffe im Kampf einzusetzen. 

Wundere Dich nicht, daß Deine Arbeit so wenig Frucht getragen hat, denn Du hast auf einem unfruchtbaren Acker gesät, der noch nicht mit dem Tau der göttlichen Gnade gewässert war. Als Gott das Antlitz der Erde neu machen wollte, begann er damit, daß er den fruchtbaren Regen des Engelischen Grußes herabsandte. Deshalb predige meinen Psalter, der aus 150 engelischen Grüßen und aus 15 Vaterunsern besteht. und Du wirst reiche Ernte halten.

Den Psalter predigen, bedeutet, das Geheimnis des Glaubens mit diesem Gebet zu verbinden, und so geht nicht nur der Rahmen des Gebets, sondern auch die über viele Jahrhunderte damit verbundenen Geheimnisse des freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen "Rosenkranzes" auf diese Offenbarung zurück. Es passt einfach zu perfekt zu der Situation, die Dominicus vorfand, als daß es anders sein könnte, denn die Geburt aus der Jungfrau, die Selbsthingabe am Kreuz, die Auferstehung und Himmelfahrt widersprechen den elementaren Überzeugungen der zur Zeit Dominicus mächtigen Sekte der Albigenser. Die glaubten nämlich an den (pseudochristlichen) "Lichtgott", den nichts mit der Materie verbindet, der also nicht geboren werden kann, der nicht stirbt und also auch nicht auferstehen kann.

Den "Durchbruch", wie man heute sagen würde, erreicht Alanus de Rupe, der wiederum nach einer Vision, bei der ihm die Gottesmutter erscheint, das Rosenkranzgebet - noch immer ist die Rede vom Psalter - bekannt macht. Alanus, Mönch des Predigerordens, sorgt ab 1464 für die Verbreitung der Legende von der Übergabe des Rosenkranzes an Dominicus, reguliert den Rosenkranz in der heute bekannten Form mit insgesamt 150 Ave-Gebeten und 15 Paternostern und den damit verbundenen Meditationen über Geburt, Passion und Auferstehung des Herrn, gründet auch die erste Rosenkranzbruderschaft unter der Bezeichung " Confratria D.N. Psalterii Jesu Christi et Mariae Virginis, nach wie vor ist also vom "Psalter" die Rede

1569 befaßt sich erstmals ein Papst, nämlich  der Dominikaner-Papst Pius V mit dem Rosenkranzgebet, in seinem breve "consueverunt Romani Pontifices" lesen wir:

Und so sah Dominicus diesen einfachen Weg, um zu Gott zu beten und ihn zu bestürmen, zugänglich für alle und ganz gottesfürchtig, den man den Rosenkranz nennt oder den Psalter der Gebenedeiten Jungfrau, in welchem Gebet wir die Allerseligste Jungfrau mit dem engelischen Gruß verehren, der einhundertfünfzig Mal wiederholt wird,  entsprechend der Zahl der Psalmen Davids, ergänzt um das Gebet des Herrn vor jeder Dekade. Eingefügt in dieses Gebet sind gewisse Meditationen, in denen wir das ganze Leben unseres Herrn Jesus Christus betrachten, wodurch wir die Methode des Gebets vervollständigen, die von den Vätern der Heiligen Römischen Kirche geschaffen wurde.

Die Rosenkranzbruderschaften breiten sich aus, dem Rosenkranzgebet schreibt die Kirche 1571 den Sieg bei Lepanto zu. Wieder wird das Rosenkranzgebet zur Waffe im keineswegs nur geistlichen Kampf.

In der Zeit nach dem tridentinischen Konzil wird der Rosenkranz ergänzt durch ein "Credo-Kreuz", das Glaubensbekenntnis wird vor dem eigentlichen Rosenkranz gebetet, später kommen dann drei weitere Ave-Perlen dazu für die drei göttlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe.

1917  wird der Rosenkranz noch einmal ergänzt, auf das Gloria folgt nun das Stoßgebet "O mein Jesus ... "

Auch die neuzeitlichen Päpste haben sich mit dem Rosenkranz auseinandergesetzt. Leo XIII hat allein 12 Enzykliken über das Rosenkranzgebet veröffentlicht, beginnend mit dem 25. Jahrestag der Erscheinung von Lourdes 1883, Leo empfahl ausdrücklich, wieder in einer Zeit der Not und Bedrängnis der Kirche, das öffentliche Rosenkranzgebet vor allem während des Rosenkranzmonats Oktober gemeinsam mit der Lauretanischen Litanei.

Das Paul VI das eher anders sieht, war zu erwarten. Pauls Intention war es nicht gerade, die Marienverehrung zu fördern, auch wenn er in Marialis Cultus das Gegenteil behauptet. Der Rosenkranz wird in Marialis Cultus eher stiefmütterlich behandelt. So wird der eben gerade nicht ausschließlich christologische Charakter betont, das Gebet des Rosenkranzes während der Messe ausdrücklich verboten und ganz im Gegensatz zu Leo XIII das Gebet vorwiegend für den privaten Gebrauch empfohlen. Dies ist, nun der Papst, der Mariä Lichtmeß und Mariä Verkündigung "christologisch" umbenamst hat, also zu Herrenfesten umdefiniert hat, und die Marienverehrung mit vielen weiteren Maßnahmen eher gemindert als gemehrt hat.

Auch Johannes Paul II hat sich mit dem Rosenkranz befasst, den er im übrigen häufig selbst gebetet hat, aber auch er will um jeden Preis das marianische Gebet nicht nur "christologisch" definieren, sondern noch zusätzlich christologisch "verdeutlichen". So schreibt er in  "Rosarium Virginis Mariä"

Von den vielen Geheimnissen des Lebens Christi führt der Rosenkranz, so wie er in der allgemeinen Frömmigkeitspraxis entstanden ist und von der kirchlichen Autorität bestätigt wurde, nur einige an. Diese Auswahl ist durch die ursprüngliche Gebetskette vorgegeben, die sich basierend auf der dem Psalterium entsprechenden Zahl 150 herausgebildet hat.

Um den christologischen Gehalt dieses Gebetes deutlicher zu machen, halte ich es für angebracht, eine angemessene Ergänzung vorzunehmen, die auch die Geheimnisse des öffentlichen Lebens zwischen der Taufe und dem Leidensweg Christi einbezieht, wobei ich es den einzelnen und den Gemeinschaften überlasse, davon Gebrauch zu machen

 Nein, nein, nein, nein und nochmals nein. Es sind insgesamt fünf Argumente, die gegen diese "Reform" sprechen:

  1. Johannes Paul der Zweite erwähnt selbst die enge Beziehung zwischen den 150 Aves des Rosenkranzes und den 150 Psalmen Davids. Eine Erhöhung der Zahl auf 200 zerreißt diese Verbindung.
  2. Bei den 15 Gesätzen des ursprünglichen Rosenkranzes steht in 7 Maria im Vordergrund (1-5 "Den Du, o Jungfrau ...; 14 und 15 "Der Dich o Jungfrau"), fügt man dem 5 weitere Gesätze hinzu, die den "christologischen Gehalt deutlicher machen" sollen, wird diese Balance verändert,.
  3. Nimmt man die Überlieferung ernst, daß die Jungfrau selbst Dominicus - und Alanus de Rupe - diesen Rosenkranz "übergeben" hat, und keinen anderen, haben wir ein Autoritätsproblem, denn wem also sollen wir dann folgen, der Gottesmutter selbst oder dem Papst, der die Überlieferung wie Paul VI und entgegen Pius V und Leo XIII übrigens nicht einmal erwähnt.
  4. Die zeitliche Ordnung der Gebete gerät in Unordnung. Bis zu JPIIs Intervention wurde der freudenreiche Rosenkranz am Montag und Mittwoch, der schmerzhafte am Dienstag und Freitag, der glorreiche am Mittwoch und Samstag gebetet, beginnt man nun mit dem freudenreichen am Donnerstag, landet der "lichtreiche" auf dem Samstag, wo er - JPII sieht es selbst - nicht hingehört. Also haben wir nun ab Donnerstag die von der zeitlichen Ordnung her unsinnige Abfolge Leben Jesu (Licht), Tod Jesu (Schmerz), Geburt Jesu (Freude), Auferstehung, Himmelfahrt (Glorie)
  5. Leo XIII hat in den drei Rosenkranzgruppen eine sinnvolle Ordnung erkannt. Der freudenreiche zeigt uns das Leben Jesu in der Verborgenheit - gegen die Eitelkeit der Welt; der schmerzhafte Rosenkranz bringt uns Schmerz und Tod in Erinnerung, die uns jeden Tag umgeben und die wir nicht verdrängen dürfen; der glorreiche Rosenkranz erinnert uns an das Ziel, dem wir zustreben und nach dem wir unser Leben ausrichten sollen, das Himmelreich.
JPII selbst hat es den Gemeinschaften ausdrücklich überlassen von seiner Anregung Gebrauch zu machen. Ich bedanke mich und bete jedenfalls den "Alten" Rosenkranz, so wie er jahrhundertelang gebetet worden ist. 

Johannes Paul II bietet davon abgesehen gute Argumente für den Rosenkranz, und seine eindringliche Bitte, auch die Stille des Gebets, vor allem nach der Ankündigung der Geheimnisse nicht zu vergessen, nehme ich mir gerne zu Herzen.



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