Montag, 22. August 2022

Veni, veni Emmanuel

O-Antiphon Antiphonale Poissy 14. Jhdt.

Reisen bildet. Das gilt nicht nur für Personen, sondern auch für Lieder. Manchmal kommen sie nach einer langen Weltreise zu uns zurück, erfrischt und verjüngt. Das gilt auch für die Paraphrase der O-Antiphonen, das Adventslied  Veni, Veni Emmanuel, oder auf deutsch "Herr send herab uns deinen Sohn" (Bone), oder "Herr sende, den du senden willst" (wieder Bone) oder "O komm, o komm Emanuel" (Verspoell)

Die O-Antiphonen, die Magnificat - Antiphonen zu den letzten sieben (oder acht, oder neun, oder zehn oder zwölf) Vespern vor dem 24.12. sind schon im 6. Jahrhundert nachzuweisen. Die Zahl von sieben Antiphonen gilt als kanonisch O Sapientia, O Adonai, O radix Jesse, O Clavis David, O Oriens, O Rex gentium, O Emmanuel.

Paraphrasen dieser Antiphonen sind erst seit dem 18. Jahrhundert nachzuweisen, die früheste aus dem 18. Jahrhundert in Johannes Heringsdorfs "Psalteriolum Cantionum Catholicarum", dem "Psälterlein Katholischer Gesänge". Der Text, der nur eine Auswahl der Antiphonen in geänderter Reihenfolge enthält, ist nun in mehr als 200 Jahren wiederum kanonisch geworden, nämlich im angelsächsischen Raum. Der hochkirchliche gesinnte (und deshalb angefeindete später jedoch hochverehrte) anglikanische Pastor John Mason Neale veröffentlichte den Text 1851 in seiner Sammlung "Hymni ecclesiae" und lieferte dann 1861 die endgültige - und gleichsam kanonische - Übersetzung nach: "O come, O come Emmanuel". Thomas Helmore verband 1851 den Text mit einer Melodie die er in einem alten französischen Manuscript gefunden hatte und : der Nummer-Eins-Hit der englischen Adventslieder war geboren.

Veni, veni Emmanuel / Captivum solve Israel / qui gemit in exilio / Pivatus dei filio / Gaude, gaude Emmanuel / nascetur pro te israel
Veni o Jesse virgula / Es hostis tuos ungula / De specu tuos tartari / Educ e anthro barathri / Gaude ...
Veni, veni o oriens / Solare nos adveniens / Noctis depelle nebulas / Dirasque mortis tenebras / Gaude ...
Veni clavis Davidica / Regna reclude coelica / Fac iter tutum superum / Et claude vias inferum / Gaude ...
Veni, veni Adonai / Qui populo in Sinai / Legem dedisti vertice / In Maiesta grloriae / Gaude ...

Heute finden sich ungezählte Varianten des Liedes, eine Motette von Zoltan Kodaly, Kompositionen für Orchester und Chor, SynthiePop (die Lieblingsvariante meiner Herzallerliebsten Ehefrau) und viele viele teils aber auch unglaublich kitschige Versionen.

Das deutsche Gotteslob hat sich für die Melodie Helmores entschieden, leider auch für den dazu nicht passenden Text Bones. Dadurch "landen" die Betonungen der Melodie auf den "falschen" Wörtern. 

Warum man sich vor einer zweisprachigen Version scheut - also einer wörtlichen, nicht unbedingt singbaren Übersetzung des für die Melodie auch gedachten lateinischen Textes - läßt sich eigentlich nur mit der seit DEM KONZIL verbreiteten Idiosynkrasie gegen das Lateinische erklären. In Corners "Groß Catolisch Gesangbüch" waren die zweisprachigen Text noch die Regel - nun kommen sie gar nicht mehr vor. 

Die englische Übersetzung ist sehr gut gelungen, die engere Verwandtschaft des Englischen mit den lateinischen Sprachen hilft. Schade, daß die Gotteslob-Redakteure wieder mal falsch abgebogen sind.

Ich hätte es vorgezogen, wenn man den lateinischen Text des "Veni Emmanuel" wählt - mit einer lesbaren, aber nicht notwendig singbaren Übersetzung und als Alternative Verspoells Eigenschöpfung, die unter den deutschen Alternativen noch den höchsten poetischen Wert hat, und sich sehr gut auf die Melodie Helmores singen läßt.

  1. O komm, o komm Emmanuel / mach frei dein armes israel / In hartem Elend liegt es hier / In Tränen seufzt es auf zu dir! / Bald kommt dein Heil, Emanuel / Frohlock und jauchze Israel
  2. O komm, o komm du Licht der Welt / Das alle Finsternis erhellt / O komm und führ aus Trug und Wahn / Dein Israel auf recht Bahn / Bald kommt ...
  3. O komm, o komm du Himmelskind / Das aller Welt das Heil gewinnt / Dein Israel seufzt tief in Schuld / O bring im deines Vaters Huld / Bald kommt ...
  4. O komm, o komm du Gottessohn / Zur Erde steig vom Himmelsthron / Gott Herr und Heiland tritt hervor / O komm schließ auf des Himmel Tor / Bald kommt ....

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