Montag, 25. Juli 2022

Schönster Herr Jesu

 

Jesus Pantokrator (Hagia Sophia)

Manchmal begegnen uns Lieder, die so perfekt sind, daß sie der katholischen Umdichtungs-Macke entgehen (könnten). Ihre Güte und ihren Wert zeigen sie uns dadurch, daß sie über die Jahrhunderte immer wieder in katholischen Gesangbüchern abgedruckt werden, und mit Begeisterung gesungen werden.

An diesem Lied jedenfalls gab es eigentlich kaum noch - außer der Anpassung an die heutige Schreibweise - etwas zu verbessern, oder?

  1. Schönster Herr Jesu, Herrscher aller Herren / Gottes und Marien Sohn / Dich will ich lieben Dich will ich ehren / Meiner Seele Freud und Wonn´
  2. Alle die Schönheit Himmels und der Erden / Ist gefaßt in Dir allein / Keiner soll immer lieber mir werden / Als Du Jesu Liebster mein
  3. Schön ist der Monde / Schöner ist die Sonne / Schön sind auch die Sterne all / Jesus ist feiner, Jesus ist reiner / Als die Engel allzumal. 
  4. Schön ist das Silber / Schöner sind die Perlen / Schöner doch des Goldes Glanz / Dies heut nur scheinet, morgen verschwindet / Jesu glänzt in Ewigkeit
  5. Schön sind die Blumen / schöner sind die Menschen / in der frischen Jugendzeit / Sie müssen sterben, müssen verderben / Jesus bleibt in Ewigkeit
  6. Liebster Herr Jesu, hie bist gegenwärtig / Im Hochheilig Sakrament / Jesu Dich bitt ich, sei du genädig / Jetzt und auch am letzten End.

So jedenfalls die allerälteste Fassung, die in einer Handschrift aus dem Jahr 1660 entdeckt wurde. Bereits der erste Druck im Münsterisch Gesangbuch enthält gravierende Änderungen. Die 4. Strophe entfällt - und wird in der weiteren Entwicklung nicht mehr gesehen - und in der 3. Strophe sollen sich nun die Sonne, Mond unst Sterne schämen, alldieweil Jesus viel reiner und feiner ist. 

 Die folgenden Herausgeber, Neu-Dichter und Kompilatoren können sich zum Glück nicht damit abfinden und kehren zur alten Fassung zurück. Oder auch nicht. 

Wie so manches hochemotionale barocke Kirchen-Lied verschwindet der Schönste Herr während der Aufklärung als Bückware unter der Ladentheke. Ausgerechnet Hoffmann von Fallersleben, bekanntlich - to say the least - keineswegs ein Freund des Katholischen, holt es wieder hervor, streicht - wie sollte es anders sein - den Bezug auf das Hochheilig Sakrament in der letzten Strophe, ergänzt das Lied mit einer Feld-Wald-Wiesen Strophe, tilgt dafür das "Sterben und Verderben" und landet mit den Lied, das auch noch zusätzlich mit einer gefälligeren Melodie in heiterem Dur unterlegt wird, einen echten Kassenerfolg. Mit dem "Herrscher aller Herren" hat es der nationalliberale Herr von Fallersleben übrigens nicht, "Herrscher aller Erden" scheint im commoder.

In der Folge findet das Lied Eingang in fast alle evangelischen Gesangbücher und breitet sich, wiederum mit einem neuen Text versehen, bis in die Niederlande, Dänemark und Schweden aus.

1847 erbarmt sich Heinrich Bone im Bemühen, den postbarocken Aufkläricht wegzuputzen, und rekonstruiert das Lied für die katholischen Gesangbücher. Er unterlegt es wieder mit der expressiven Barockweise, und schafft einen ziemlich neuen Text, der bedauerlicherweise das barocke Drama samt aller seiner expressiven Stilmittel erbarmungslos niederbügelt. Aus der Tautologie "Freud und Won(n)" wird "Freudenthron" (was meint das, hätte mein Soziologieprofessor gefragt), aus "Jesu Liebster mein" "o Jesu mein", Reime werden getilgt (reiner und heller, statt reiner und feiner; hinsterben statt sterben/verderben), der Mond wird zum Mondlicht versachlicht und schließlich wird am Schluß das persönliche Gebet an den leiblich gegenwärtigen Jesus "hie bist gegenwärtig im hochheilgen Sakrament" abstrahiert. Statt des innigen Gebets steht die abstrakte theologische Aussage "und gegenwärtig ist er wahrhaftig im hochwürd´gen Sakrament".

Viel besser wird es dann in den "Einheitslieder", zu denen dieses einst innige Gebet hinzugefügt wird, auch nicht. "Du bist gegenwärtig" statt hie! jetzt! Und "Freud und Kron" (wiederum: was meint das, um Himmelswillen!) statt Freud und Wonn´ und aus Jesu Liebster mein, liebster Jesu mein.

Etikettenschwindel ist ja vor allem in katholischen Gesangbüchern eine ganz gewiß lässliche Sünde. So heißt es denn frech im Gotteslob 2013 Text und Melodie seien in "Münster in Westfalen" entstanden. Für die Melodie richtig, für den Text ... . Vielmehr wird die letzte Strophe gleichsam mit der Abrißbirne traktiert. "Schönster Herr Jesus, bei uns gegenwärtig durch dein Wort und Sakrament". Damit verschwindet nun die innige Szene des Beters vor dem Tabernakel, notabene vor der Monstranz völlig in den Schwaden einer neokatholischen Nebelgranate. Die Gleichsetzung Tisch des Wortes/ Tisch des Herrn ist im übrigen eine der Planierungsmaßnahmen, der wir das fast völlige Verschwinden urkatholischer Substanz zu verdanken haben.

Der Täter hat ein Bekennerschreiben hinterlassen. Das kleine Merkzeichen "ö" weist daraufhin, daß der Text durch den unsäglichen "Arbeitskreis ökumenisches Liedgut (AöL)" durchgenudelt wurde. Womöglich haben die kathogelischen Mitglieder des Arbeitskreises erwartet, daß das zeitgeistig zugerichtete Lied nun auch in die evangolischen Gesangbücher Eingang findet. Dort ist aber der nur leicht abgewandelte Fallersleben-Text abgedruckt.

Hier eine besonders schöne Choralversion.

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