Sonntag, 25. September 2011

Fest soll mein Taufbund


Bei seiner Predigt im Berliner Olympiastadion hat Papst Benedikt XVI dieses Lied Christoph Bernhard Verspoells erwähnt, im Zusammenhang mit einer Anmerkung, in der er das selbstverschuldete "Leiden an der Kirche" thematisiert.
Wenn ... der Blick auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium der Kirche nicht mehr. Dann kommt auch keine Freude mehr über die Zugehörigkeit zu diesem Weinstock "Kirche" auf. Es verbreiten sich Unzufriedenheit und Missvergnügen, wenn man die eigenen oberflächlichen und fehlerhaften Vorstellungen von "Kirche", die eigenen "Kirchenträume" nicht verwirklicht sieht! Da verstummt dann auch das frohe "Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad´ in seine Kirch´ berufen hat", das Generationen von Katholiken mit Überzeugung gesungen haben.
Dieses Lied ist nun auch im "Gotteslob" "verstummt". In den Hauptteil des Gotteslobes ist das Lied nicht mehr aufgenommen worden, es findet sich nur teilweise noch in den Diözesanteilen und dort häufig in einer Weise umgedichtet, daß man den ursprünglichen Sinn des Textes kaum noch erkennen kann. So wird der Text etwa im Mainzer Diözesanteil gewissermaßen ekklesiologisch ausgedünnt. Wo es bei Verspoell heißt : "Sie (die Kirche) soll mich allzeit gläubig sehen, und folgsam ihren Lehren", heißt es in Mainz "Ich will den Weg des Glaubens gehen, und folgen Gottes Lehren". Statt "Nie will ich von ihr (der Kirche) weichen" liest man da "ihm (Gott) will ich allzeit leben." Da wird ökumistig, was ökumenisch gedacht war. Daß die Määnzer nur den ersten, auch noch verstümmelten Vers bieten, zeigt die bemerkenswerte Lieblosigkeit, mit der die Verfasser kirchenamtlicher Liederbücher mit katholischem Liedgut verfahren.

Den Liederbuchmachern des 19. Jahrhunderts, die diesen Text selbstverständlich aufnahmen, war eher daran gelegen, die ekklesiologische Botschaft des Liedes noch einen Tick stärker zu betonen, Joseph Mohr etwa macht aus dem "in seine Kirch´" ein "Zur Wahren Kirch´", womit dann klargestellt wäre, was mit der "Kirch´" gemeint ist.

Die Popularität des Liedes drückt sich darin aus, daß es mehrere alternative Melodien gibt - die heute gebräuchliche geht auf Bierbaum zurück - und eine kaum noch überschaubare Zahl von Ergänzungen und Umdichtungen. Verspoell selbst hat das Lied unter das Kapitel "Lieder zum Fronleichnamsfeste" eingeordnet, sein Text thematisiert das Heilige Meßopfer, und nicht, wie die erste Zeile erwarten läßt, die Taufe.
  1. Fest soll mein Taufbund immer stehn, / Ich will die Kirche hören. / Sie soll mich allzeit gläubig sehn / und folgsam ihren Lehren / Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad / In seine Kirche berufen hat;  / nie will ich von ihr weichen.
  2. Du Gottmensch bist mit Fleisch und Blut / Wahrhaftig hier zugegen, / Und dein Genuß, o höchstes Gut! / Bringt meiner Seele Segen. / Dir, ew´ge Wahrheit! glaube ich; / In diesem Glauben stärke mich, / Bis ich dich ewig sehe.
  3. Dein Fleisch und Blut wird meinem Geist´ / Im Guten Stärke geben;  /  Und führt mich wie´s dein Mund verheißt, / Gewiß zum ew´gen Leben. /  Dir, güt´ge Allmacht traue ich; / In dieser Hoffnung stärke mich, / bis ich dich einst besitze.
  4. Du littest, starbst, und setztest ein / ein Denkmal dieser Liebe, / Daß du ganz mein und ich ganz dein / In Ewigkeit verbliebe. / Mein Jesu! liebvoll dank ich dir, / Vermehre deine Lieb´ in mir; / Laß mich dich ewig lieben.
Das Stichwort "Taufe" hat nun andere Liederdichter dazu gereizt, das Thema in weiteren Strophen zu erweitern, und aus dem Prozessionslied zu Fronleichnam ein Tauflied zu machen. Eine der populärsten Versionen, von der ich leider den Texter nicht kenne, macht aus Verspoells Gedicht ein Tauf- und Bekenntnislied
  1. Fest soll mein Taufbund immer stehn,  ...
  2. Dem bösen Feind und seiner Pracht /  gelob’ ich zu entsagen; / verachte seine ganze Macht, / will lieber Schmach ertragen. / Ich fliehe alle Werke sein; / sie enden mit der Hölle Pein, / bereiten ew’ge Qualen.
  3. Die rechten Wege wandle ich, / solang’ ich leb’ auf Erden. / Getreuer Gott, beschütze mich / Und lass mich selig werden! / O mach mich ähnlich Deinem Sohn, / dass ich erhalte meinen Lohn / im Himmel einst auf ewig.
Die Version von Johannes Pinsk variiert ebenfalls das Thema Taufe, und hat wegen seiner poetischen und theologischen Qualität einen Ehrenplatz verdient.
  1. Fest soll mein Taufbund immer stehn,...
  2. O Seligkeit getauft zu sein: / In Christus eingesenket! / Am Leben der Dreieinigkeit / Ward Anteil mir geschenket. / Ich bin nun Kirche, Christi Glied, / Ein Wunder ist's, wie das geschieht. / Ich bete an und glaube. 
  3. An Jesu Christi Priestertum / Hab ich nun teil in Gnaden. / Zum Opferdienst, zum Gotteslob / Hat er mich eingeladen. / Ich bin gesalbt zum heilgen Streit, / Bin Christi Königreich geweiht; / ihm will ich leben, sterben.
Das Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt aus der astonomischen Uhr im Dom zu Münster, wo Christoph Bernhard Verspoell als Vikar gedient hat.

8 Kommentare:

  1. Sehr schöner Kommentar und auch eine sehr schöne Zusammenstellung der verschiedenen Versionen. Danke!

    AntwortenLöschen
  2. Danke, danke, danke, endlich jemand der auch unter diesem modernen Text von 1974 leidet!! Jedes Jahr in der Osternacht wird er als "Bekenntnislied" verwendet und jedes Jahr widerstrebt mir dieser Text mehr.
    Andererseits:
    für den Großteil der Gottesdienstbesucher wäre das wohl eine Lüge zu singen:
    Dem bösen Feind und seiner Pracht / gelob’ ich zu entsagen; / verachte seine ganze Macht, / will lieber Schmach ertragen. / Ich fliehe alle Werke sein; / sie enden mit der Hölle Pein, / bereiten ew’ge Qualen.
    Die rechten Wege wandle ich, / solang’ ich leb’ auf Erden. / Getreuer Gott, beschütze mich / Und lass mich selig werden! / O mach mich ähnlich Deinem Sohn, / dass ich erhalte meinen Lohn / im Himmel einst auf ewig.

    Ja, das sind halt die pastoralen Schranken, wo man überlegt: lass ich sie singen oder lass ich sie lügen... :)

    AntwortenLöschen
  3. Ja, diese Lieder-"Entschärfungen" sind in der Tat furchtbar. Sie sind aber leider nicht auf "moderne" Gemeinden beschränkt, sondern auch in vielen konservativen Gemeinschaften verbreitet.

    Man vergleiche etwa die originale Version von "Oh Haupt voll Blut und Wunden", wie sie in der evangelischen Kirche noch heute gesungen wird:


    "O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
    O Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron’,
    O Haupt, sonst schön gezieret mit höchster Ehr’ und Zier,
    Jetzt aber hoch schimpfieret: Gegrüßet sei’st du mir!

    Du edles Angesichte, davor sonst schrickt und scheut
    Das große Weltgewichte, wie bist du so bespeit!
    Wie bist du so erbleichet! Wer hat dein Augenlicht,
    Dem sonst kein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht’t?"


    mit der Fassung, die landauf, landab in den katholischen Gesangbüchern steht (und zwar schon vor dem Gotteslob):


    "O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn,
    O Haupt, zum Spott gebunden mit einer Dornenkron,
    O Haupt, sonst schön gekrönet mit höchster Ehr und Zier,
    Jetzt aber frech verhöhnet: gegrüßet seist du mir.

    Du edles Angesichte, vor dem sonst alle Welt
    Erzittert im Gerichte, wie bist du so entstellt.
    Wie bist du so erbleichet, wer hat dein Augenlicht,
    Dem sonst ein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht!"


    Hier geht es weniger um theologische denn um sprachlich-stilistische Dinge: kraftvolle, aber vielleicht etwas altertümlich wirkende Barocksprache ("gezieret/schimpfieret", "schrickt und scheut", "Weltgewichte", "bespeit") wird durch floskelhafte Ausdrücke aus dem (gefühlt) 19. Jahrhundert ersetzt ("gekrönet/verhöhnet", "erzittert", "im Gerichte", "entstellt").

    Das ist leider kein Einzelfall. So großartig die lateinischen Hymnen und liturgischen Texte sind: für deutsche Lieder haben die Katholiken (mit der einen Ausnahme Friedrich Spee) kein Gespür - das sage ich als Konvertit zum Katholizismus, der an seiner alten kirchlichen Heimat genau zwei Dinge vermisst: die Liedkultur und die Lutherbibel.

    AntwortenLöschen
  4. @Geistbraus. Als Bruder im Geiste (auch ich bin ehemaliger "Protestant") kann ich Dir - allerdings nur teilweise - beipflichten. Leider zeigt sich in den beiden Gesangbücher Gotteslob und dem der EKD, daß die Ökumene eines des kleinsten Nenners ist, somit des "modernistischen" Zeitgeistes. Und dieser Zeitgeist hat nicht nur die katholischen Lieder verunstaltet, sondern auch die evangelischen. Und leider hat man auch die ökumenische Chance verpaßt, gute evangelische Hymnen in das Gotteslob aufzunehmen. Daß Katholiken allgemein keinen Sinn für deutsches Liedgut haben, ist aber unzutreffend. Verspoell und Pinsks Variationen dieses Liedes sind poetisch meisterhaft. Und unter den alten Liedermachern ragt nicht nur Spee hervor, sondern etwa auch Johannes Scheffler, der "Angelus Silesius", der ein ganzes Liederbuch geschaffen hat. Luther hat eigene Hymnentext geschaffen, aber auch viele Kontrafakuren altkirchlicher Hymnen. Vieles davon ist authentisch katholisches Liedgut, das Luther fast schon sklavisch genau ins deutsche übertragen hat. Ein Grund, wie mir scheint, warum etwa das berühmte "Nun komm der Heiden Heiland" in den aktuellen protestantischen Liederbüchern nur gekürzt wiedergegeben wird. Die marianischen Strophen fehlen.

    AntwortenLöschen
  5. @Johannes: das stimmt natürlich auch. Angelus Silesius hatte ich ganz vergessen. Und dass gerade im Bereich der Mariologie in den protestantischen Fassungen einiges entstellt wurde (etwa auch in "Es ist ein Ros entsprungen"), ist nun nicht zu leugnen.

    Dennoch bleibe ich dabei, dass es eine so umfangreiche und tiefe deutschsprachige Liedkultur bei Katholiken nie gegeben hat. Dieser Eindruck hängt sicher auch damit zusammen, dass trotz Spee und Scheffler in den normalen Messen die Lieder aus dem 19. und 20. Jahrhundert überwiegen, während der Höhepunkt der lutherischen Liederdichtung ja gerade im 17. Jhd. liegt (und auch als solcher gottesdienstlich präsent ist) - und mir die Barockdichtung persönlich einfach viel lieber ist als die Sachen aus dem 19. Jhd., die ich oft irgendwie süßlich-frömmelnd finde. Außerdem gibt es ja in der katholischen Liturgie z.B. auch nirgends eine sinnvolle Möglichkeit, etwa neun Strophen eines Lieds hintereinander zu singen. Insofern auch keine Notwendigkeit, 15 Strophen abzudrucken... der Schwerpunkt liegt einfach woanders, und das ist ja im Grunde auch nicht schlimm.

    AntwortenLöschen
  6. Es kommt darauf an, in welcher Gemeinde du gerade bist. Bei uns überwiegen eher Spee und Scheffler, in der nahegelegenen Großstadt überwiegt der Sacropop. Aber Es ist schon richtig, BetSingMessen waren bis vor wenigen Jahrzehnten in katholischen Kirchen eher die Ausnahme, die musikalische Begleitung der Messe ist ja eigentlich der gregorianische Choral. Aber nun ist der ins Hintertreffen geraten (außer bei uns natürlich ich singe in der einzigen gregorianischen Schola Südhessens). Bei Katholiken gibt es dafür ein Genre, daß den Protestanten gänzlich fehlt: das Prozessionslied. Und für diese Lieder gibt es viele, viele Strophen. Die beiden Marienlieder, die ich hier dargestellt habe, haben 9 oder 19 Strophen. Es sind Prozessionslieder. Es gibt noch viel längere. Das Lourdeslied hat 34 Strophen. Da werden die Protestanten doch balß vor Neid oder?

    AntwortenLöschen
  7. Ich hab selbst Probleme mit dem Kirchenchor bei Friedrich Spee Liedern zu Fastenzeit wie "Tu auf, tu auf du schönes Blut"
    Da wird dann gemault, es sei so altertümlich.
    Wenn ich dann sage "Hallo, das ist von Friedrich Spee, der für die besten und kraftvollsten kath. Lieder überhaupt verantwortlich ist aus der Zeit der Gegenreformation", dann kommt nur Murren von wegen altertümliches Zeugs.
    Aber weil ich ein ziemlicher Sturkopf bin und solange ich dirigiere auch bestimme was gesungen wird, bleibt das Lied im Programm. Die müssen das singen, ob sie wollen oder nicht. Auch wenn ich den Chor darauf hinweise, dass z.B. die folgende Strophe hochaktuell ist, ernte ich nur Kopfschütteln. Und falls sie sich doch irgendwann weigern, dürfen sie sich einen anderen Chorleiter suchen.

    O Ewigkeit, o Ewigkeit!
    Wer wird dich können messen?
    Sind deiner doch schon allbereit
    die Menschenkind vergessen.
    O Gott vom höchsten Himmel gut,
    wann wird es besser werden?
    Die Welt nur immer scherzen tut,
    kein Sinn ist mehr auf Erden.

    Hat sich nicht viel geändert seit damals...

    btw. ein Blog zu einem sehr wichtigen Thema, vor allem im Hinblick auf das geplante neue Gotteslob.

    AntwortenLöschen
  8. Herzlichen Dank für das Hereinstellen des kompletten Liedes! In der Erzdiözese Paderborn dürfen wir (oh Wunder!) noch unter Nr. 902 im GL-Anhang den alten Text singen. Ausnahmsweise ein Lied, daß nicht von Prof. Kienecker umgedichtet wurde...

    AntwortenLöschen